Mullet Madonna & Jibb

RAAW und 29 Zoll Laufräder

Seit den Anfängen von RAAW im Jahr 2016 ist klar: Wir lieben das Potenzial von 29"-Laufrädern. Beim Grip in Kurven, der Geschwindigkeit auf Geraden und der Fahrposition tief “im Bike”, die viel Sicherheit gibt, sind sie kleineren Laufradgrößen einfach überlegen. Ihre Nachteile sind hauptsächlich ein etwas höheres Gewicht der Laufräder und kleinere Einbußen in der Stabilität. In den letzten Jahren haben die großen Laufradhersteller aber viel Erfahrung sammeln können und mittlerweile gibt es keine nennenswerten Kompromisse mehr, zumindest im mittleren und oberen Segment an 29”-Laufrädern. 

Die Laufradgröße ist nur ein Teil des Ganzen

Bei einem Bike gibt es hunderte von Parametern, deren Zusammenspiel am Ende das Fahrerlebnis auf dem Trail bestimmt. Angefangen mit Laufradgröße, Geometrie, Hinterbau-Charakteristik und verwendeten Materialien bis hin zu den Eigenschaften aller am Rahmen befestigten Komponenten - ein großes Puzzle, bei dem jedes einzelne Teil wichtig für das Gesamtergebnis ist. Entsprechend ist es enorm wichtig, nicht einzelne Parameter für die Definition der gesamten Fahreigenschaften verantwortlich zu machen sondern immer das Gesamtbild im Auge zu haben. Auch die Laufradgröße ist nur ein Faktor von vielen und muss mit dem Rest des Bikes harmonieren. 

Das häufigste Argument für ein Mullet-Setup ist, dass das kleinere Hinterrad die Verspieltheit des Bikes erhöhen würde. Ganz so einfach ist es aber nicht. Ein kleineres Hinterrad allein führt nicht dazu, dass sich ein Bike verspielter bewegen lässt und auch weitere Fahreigenschaften werden sich ändern. So hat das kleinere Hinterrad zum Beispiel starke Auswirkungen auf die Balance zwischen Hinter- und Vorderrad, die Sitzposition und das Verhalten des Fahrwerks. Damit ein Mullet-Setup funktioniert braucht es eine Reihe von Änderungen, die als Gesamtpaket harmonieren müssen. Nur dann kann der größtmögliche Nutzen erreicht und gleichzeitig die negativen Kompromisse minimiert werden.  Das ist nur möglich, wenn das Bike von Grund auf auf ein Mullet-Setup ausgelegt wurde.

Außerdem ist wichtig zu wissen, dass auch andere Änderungen zu ähnlichen Ergebnissen wie ein Mullet-Setup führen können. Dein Bike bietet viele Möglichkeiten, sein Fahrverhalten an deine Wünsche anzupassen. Zum Beispiel kann ein höherer Lenker es deutlich erleichtern, das Bike in den Manual zu ziehen - vielleicht ist das schon das Plus an Verspieltheit, dass du dir wünscht. Auch über ein Anpassen der Kettenstrebenlänge kannst du die Grip-Verteilung zwischen Vorder- und Hinterrad justieren, so dass du in Kurven das volle Vertrauen hast, die Bremsen loszulassen und das Kurvenverhalten genau deinen individuellen Wünschen entspricht.

Jibb und Madonna auf ein Mullet-Setup umbauen

Kurze Antwort: So einfach geht das leider nicht.
Gehen wir es gemeinsam durch: Was würde ein 27,5"-Hinterrad mit einem Madonna oder Jibb machen? Könnte man einfach das Hinterrad wechseln und gut ist?

Der Wechsel von 29" auf 27,5" würde die Hinterachse um etwa 20 mm absenken. Bei Bike-Geometrien machen wenige Millimeter oft schon einen großen Unterschied, 20mm sind also schon ganz schön viel. Das würde wiederum das Tretlager um 13-14 mm absenken und sowohl den Lenkwinkel als auch den Sitzwinkel flacher machen. Auch der Reach würde sich wesentlich verringern. Die resultierende Geometrie wäre also weit weg von dem, was wir uns bei der Entwicklung des Bikes gedacht haben und die Pedale wären gefährlich nahe am Boden. Wir mögen unsere Tretlager tief, aber nicht so tief.

Jetzt könnte man sagen, dass man nur den Hinterbau weiter “ausfedern” braucht, um das Tretlager wieder anzuheben und die Geometrie wiederherzustellen. Einige Aftermarket-Rockerlinks versuchen genau das. Aber damit verändert man die gesamte Kinematik und riskiert, dass bestimmte Teile des Rahmens miteinander kollidieren. Unsere Rahmen sind für einen bestimmten Bewegungsbereich des Hinterbaus ausgelegt. Es gibt zwar eine Toleranz an beiden Enden, aber nicht viel.

Das gleiche gilt, wenn man versucht zum Ausgleich einen längeren Dämpfer zu montieren. Das Madonna mit seinem 205-mm-Dämpfer und das Jibb mit seinem 185-mm-Dämpfer sind exakt auf diese Längen ausgelegt. Bei der Verwendung von Dämpfern mit längeren Einbaumaßen kommt es ebenfalls zur besagten Kollision der Rahmenteile.

Auch wenn es auf dem Papier vielleicht so aussieht, als würde ein Aftermarket-Rockerlink die Geometrie des Bikes trotz des kleineren Hinterrades wieder ungefähr zum Original zurückbringen, werden sich Fahrwerk, Balance und Handling völlig anders anfühlen. Ihr seht schon: Nur auf den ersten Blick ist ein Mullet-Umbau eine kleine Änderung, in Wirklichkeit gibt es aber viel mehr zu Bedenken als nur die Laufradgröße.

Werden wir in Zukunft Mullet-Bikes anbieten? 

Nur weil wir aktuell ausschließlich Fahrräder mit 29"-Laufrädern vorne und hinten anbieten, heißt das nicht, dass wir kleine Laufräder hassen. Wir haben sie immer im Hinterkopf, wenn wir neue Entwicklungsprojekte beginnen und sie sind definitiv Teil unserer internen Diskussionen. Auch wenn Jibb, Madonna und das DH-Bike im Moment auf den großen Laufrädern rollen, ist es nicht in Stein gemeißelt, dass das für immer so bleiben wird.

Modifikation mit Aftermarket-Rockerlinks

Aftermarket-Links erfreuen sich in letzter Zeit wachsender Beliebtheit. Kein Wunder, schließlich versprechen sie, noch mehr Performance aus einem Rahmen herauszuholen. Allerdings wird dabei gerne vergessen, die möglichen Nachteile und Risiken zu erwähnen. Aftermarket-Rockerlinks können den Federweg vergrößern, die Progression erhöhen oder ein Bike Mullet-Proof machen. Für bestimmte Fahrer kann das in bestimmten Fällen zwar in Summe zu einer Verbesserung führen, aber wir wären generell sehr vorsichtig mit dieser Art von Modifikation am Rahmen.

Der Rocker Link spielt bei der Auslegung eines Rahmens eine zentrale Rolle. Bei RAAW-Bikes ist er für die Aufnahme eines Großteils der Seiten- und Scherenlasten verantwortlich, da die Sitzstreben bei unserem Madonna und Jibb nicht miteinander verbunden sind. Das ist auch der Grund, dass wir unseren Rockerlink aufwändig aus einem einzigen Stück Aluminium fräsen und viel Zeit in die Optimierung von Form, Geometrie und Material gesteckt haben. Nur so können wir sicherstellen, dass er seiner Aufgabe gewachsen ist.

Der Austausch des Rockerlinks gegen einen von Drittanbietern kann zu deutlich erhöhten Seitenkräften auf den Dämpfer führen. Das kann einen höheren Verschleiß oder sogar eine Beschädigung des Dämpfers zur Folge haben. Unter anderem aus diesem Grund erlischt bei strukturellen Änderungen am Rahmen auch unsere Garantie. Unsere Rahmen werden nach hohen Standards auf Festigkeit und Ermüdung getestet. Strukturelle Änderungen würden eine vollständige erneute Prüfung erfordern, um sicherzustellen, dass der Rahmen den harten Traileinsatz nach wie vor unbeschadet übersteht.

Darüber hinaus können die Änderungen an der Kinematik des Bikes nicht ignoriert werden. Durch den Austausch des Rockerlinks ändert sich der gesamte Kraftfluss durch den Hinterbau während der Einfeder-Bewegung und die Belastungen auf den Rahmen können nicht mehr dem entsprechen, wofür er ausgelegt wurde.